Mittwoch, 5. Oktober 2011

Mission Aufklärung

Ob Griechenland, der Wiege Europas, noch zu helfen ist, ist mittlerweile zu einer Glaubensfrage geworden. Die deutsche Regierung, zumindest der größte Teil, glaubt fest daran und versucht krampfhaft, die Skeptiker im In- und Ausland sowie die Finanzmärkte mit ihrem Optimismus anzustecken. Bislang leider mit mäßigem Erfolg, jedoch ist es für eine 180 Grad-Wendung längst zu spät. Zu viele Kredite wurden schon nach Griechenland gepumpt, zu hoch ist das Risiko, dass eine Pleite Griechenlands, ob geordnet oder nicht, den Rest der Eurozone dramatisch beeinträchtigen könnte. Zu groß wäre der Gesichtsverlust vom Duo Schäuble-Merkel und ihrer CDU, wenn sie jetzt doch umschwenken und dem kleinen FDP-Rösler das Feld überlassen würden. Ergo, entweder der aufgeplusterte Rettungsschirm ermöglicht Griechenland, wieder auf die Beine zu kommen, ODER... man muss dann halt nochmal neu überlegen. Ein Scheitern steht außer Frage, an ein Wunder glauben allerdings nicht.
Bidlquelle
Und während die griechische Regierung sich die Nächte um die Ohren schlägt, um die drohende Zahlungsunfähikeit im kommenden Monat doch noch abzuwenden, glaubt das griechische Volk, so scheint es, lieber nicht an Wunder.  So folgen die öffentlichen Beamten, die am stärksten von den drohenden Kürzungen im Land betroffen sind, wie Lemminge dem Aufruf der Gewerkschaften, das Land aus Protest gegen die Sparmaßnahmen erstmal lahm zu legen. Aber was dann? Was können die Griechen dadurch gewinnen? Was ist die Alternative? Kommen wieder mehr Touristen ins Land und kurbeln die Wirtschaft an, wenn keine Flugzeuge ins und aus dem Land fliegen? Behalten die Beamten vielleicht ihre Jobs, wenn Griechenland pleite geht? Werden sich die Renten wieder erhöhen, wenn Griechenland weder Geld in den Kassen noch Aussicht auf internationale Kredite hat? Wohl kaum.
Ministerpräsident Papandreou scheint bisher zumindest Eines versäumt zu haben, nämlich sein Volk über die wenig attraktiven Alternativen zu den derzeitigen Sparmaßnahmen im Detail und so oft wie nötig aufzuklären. Vielleicht sollte er ihnen aber auch nur die tägliche Lektüre der deutschen Medien verschreiben, z.B. von tagesschau.de. Dort wird unter anderem genau aufgeklärt darüber, "Was wäre, wenn Griechenland pleite ginge". Guter Artikel. Schon lange hatte ich mir eben jene Frage gestellt. Allein eine Übersetzung ins Griechische fehlt, aber was nicht ist, kann ja noch werden.
Die so ausdauernd von Rösler angepriesene Staatsinsolvenz, z.B., würde innerhalb des Landes mindestens die selben Maßnahmen beinhalten, jedoch die europäischen Gläubiger, also diverse Banken, durch einen sogenannten Schuldenschnitt in die Haftung einbeziehen. Für die Griechen könnte, für europäische Anleger würde es also schlimmer kommen. Und Italien, Portugal und Co hätten ihren Präzedenzfall, mit dem sie auf die selbe Verfahrensweise pochen könnten.
Ein Staatsbankrott hingegen, also die Erkenntnis, dass wirklich gar nichts mehr geht und auch ein Schuldenschnitt der Gläubiger nicht mehr hilft, hätte tatsächlich viel drastischere Einschnitte für alle Beteiligten zur Folge: nicht nur dass Beamte ihre Jobs und Rentner und Arbeitslose ihre Zulagen verlieren, während inländische Banken und Unternehmen unter der finanziellen Last regelrecht umfallen würden. Auch die europäischen Banken und damit ihre zumeist privaten Anleger wären durch den 100-prozentigen Wertverfall der Milliardenschweren griechischen Staatsanleihen in ihren Tresoren massiv betroffen. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass das Vertrauen in Europa als Staatenverbund und den Euro als ihre Währung extrem in Mitleidenschaft gezogen würde. Und was dann mit Portugal, Italien, Spanien, Frankreich oder Irland passieren würde, steht in den sprichwörtlichen Sternen.
So bleibt nur, den Leitspruch der Epoche der Aufklärung aus der Mottenkiste zu holen: „Sapere aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!“ Was so viel heißt wie: Erst Denken, dann Handeln. Oder vielleicht auch: Selber Denken, nicht nur Mitmachen. Auf geht's!

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